Pharmazie

Thi Ngoc Mai Nguyen, Apothekerin
Netzwerk AlternsfoRschung (NAR)
Bergheimer Straße 20
69115 Heidelberg

Tel: +49 (0)6221 54 8143
nguyen(at)nar.uni-heidelberg.de
Fellow: PD Dr. Ben Schöttker

 

Nichtsteroidale Antirheumatika: Epidemiologie ihrer Verwendung in der älteren deutschen Bevölkerung und neue Erkenntnisse über die Risiken und den Nutzen der Verwendung niedrig dosierter Acetylsalicylsäure

Zusammenfassung der Doktorarbeit

Chronische Schmerzen sind bei älteren Menschen häufig, schwierig zu behandeln und beeinträchtigen das tägliche Leben der Betroffenen erheblich. Umfassende Studien zum Analgetikagebrauch in dieser Altersgruppe aus Deutschland sind jedoch rar. Darüber hinaus weisen nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), obwohl sie über 50 % der verordneten Analgetika in Europa ausmachen, ein negatives Nutzen-Risiko-Profil bei Erwachsenen im Alter von ≥ 65 Jahren auf.

Im ersten Teil dieser Dissertation habe ich eine Versorgungsforschungsstudie durchgeführt und gebe einen umfassenden Überblick über die Verwendung der gängigsten therapeutischen Analgetikagruppen bei älteren Erwachsenen in Deutschland, gefolgt von einem Vergleich der Prävalenz potenziell inadäquater Medikation (PIM) unter NSAR-Nutzern und der Ermittlung der Determinanten ihrer Verwendung. Es wurde eine Querschnittsstudie mit Daten von 2.038 Erwachsenen im Alter von 63-89 Jahren der ESTHER-Kohortenstudie durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass einer von vier Studienteilnehmern unter starken oder behindernden Schmerzen litt, und die Hälfte derjenigen, die Analgetika einnahmen, gab an, weiterhin unter starken oder behindernden Schmerzen zu leiden. Unter den Analgetika-Anwendern war die gelegentliche Einnahme von NSAR die häufigste Schmerztherapie (bei 43,6 % der Anwender), gefolgt von der Einnahme von Metamizol (16,1 %), der regelmäßigen Einnahme von NSAR (12,9 %), der Einnahme starker Opioide (12,7 %) und der Einnahme schwacher Opioide (12,0 %). In multivariaten logistischen Regressionsmodellen waren ein höheres Alter, eine höhere Schmerzintensität, eine längere Schmerzdauer, Unterleibsschmerzen und Rückenschmerzen statistisch signifikant mit der Nutzung von Opioiden assoziiert. Die Einnahme von Metamizol war ebenfalls statistisch signifikant mit einer höheren Schmerzintensität, aber invers mit der Schmerzdauer assoziiert.

Die Prävalenz des potenziell inadäquaten NSAR-Einsatzes betrug 54,2%, 45,4%, 29,9%, 20,4% und 3,5% bei Anwendung der STOPP-, 2019er Beers-, EU(7)-PIM-, FORTA- und PRISCUS-PIM-Kriterien. Nur die STOPP- und Beers-Kriterien zeigten eine moderate Übereinstimmung. Geringere Schmerzintensität, Gicht, Magengeschwüre, kardiovaskuläre Erkrankungen und chronische Nierenerkrankungen waren statistisch signifikant mit einem potenziell inadäquaten NSAR-Einsatz nach den STOPP-Kriterien assoziiert, die drei letztgenannten Erkrankungen auch mit den Beers-Kriterien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine beträchtliche Anzahl älterer deutscher Erwachsener von starken und behindernden chronischen Schmerzen betroffen ist obwohl sie Analgetika erhalten. Die STOPP- und Beers-Kriterien könnten anderen PIM-Listen bei der Identifizierung eines potenziell unangemessenen NSAID-Einsatzes überlegen sein. Ich habe eine harmonisierte, länderunabhängige PIM-Liste für NSAIDs entwickelt, die dieselben Vorteile aufweist wie die STOPP- und 2019 die Beers-Kriterien, und empfehle ihre Anwendung in der klinischen Praxis.

Im zweiten Teil der Dissertation habe ich mich auf die Risiken (für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre) und den Nutzen (Demenzprävention) der langfristigen Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ND-ASS) konzentriert. Da es keine wirksamen Demenzbehandlungen gibt, spielt die Prävention eine entscheidende Rolle. Es gab Hinweise auf eine neuroprotektive Wirkung von ND-ASS, aber die Evidenz waren nicht eindeutig. Daher untersuchte ich die potenzielle schützende Wirkung der Langzeiteinnahme von ND-ASS vor allgemeiner Demenz, Alzheimer und vaskulärer Demenz in einer Stichprobe von 5.258 Teilnehmern der ESTHER-Studie und 305.394 Teilnehmern der UK Biobank. Zur Modellierung des zugrunde liegenden kardiovaskulären Risikos wurden Cox-Regressionsmodelle mit inverser Behandlungswahrscheinlichkeitsgewichtung verwendet. Die Meta-Analyse beider Kohorten ergab eine schwache Verringerung des Risikos für eine Demenz. Die stärkste Assoziation von ND-ASS wurde jedoch bei Teilnehmern mit koronarer Herzkrankheit beobachtet. Die Meta-Analyse der beiden Kohorten ergab eine Risikoreduktion von 31% für die Alzheimer-Krankheit, 69% für vaskuläre Demenz und 34% für ein allgemeine Demenz. Darüber hinaus zeigte sich für ND-ASS-Anwender, die dieses Medikament 10 Jahre oder länger einnahmen, im Vergleich zu Nichtanwendern, eine starke inverse Assoziation mit allen Demenzendpunkten.

Die ESTHER-Studie (N=7.737) und die UK Biobank (N=213.598) wurden auch verwendet, um den Zusammenhang zwischen der Einnahme von ND-ASS und der Häufigkeit von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren anhand multivariater Cox-Regressionsmodelle zu untersuchen. Mit eine prevalent-user-Design wurde in beiden Kohorten kein signifikanter Zusammenhang mit Magengeschwüren festgestellt. Darüber hinaus war die Einnahme von ND-ASS in der UK Biobank und der ESTHER-Studie nur schwach mit dem Auftreten von Zwölffingerdarmgeschwüren assoziiert (30% bzw. 26% Risikoerhöhung). Schränkt man die Exposition auf neue Anwender (new-user-Design) ein, so waren die Ergebnisse wesentlich deutlicher. In der UK Biobank und der ESTHER-Studie lagen die Punktschätzungen der Hazard Ratio für Magengeschwüre bei 1,98 bzw. 2,73 und für Zwölffingerdarmgeschwüre bei 1,81 bzw. 3,69.

Der zweite Teil der Dissertation hat gezeigt, dass die Einnahme von ND-ASS bei Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit und bei Patienten, die bereit sind, ND-ASS mindestens zehn Jahre lang einzunehmen, ein Potenzial für die Demenzprävention hat. Gleichzeitig zeigte die Studie, dass der Beginn einer Langzeittherapie mit ND-ASS das Risiko für die Entwicklung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren erheblich erhöht. Insgesamt ist es wichtig, Risiken und Nutzen abzuwägen, wenn eine ND-ASS-Behandlung eingeleitet werden soll, und nach Beginn der ND-ASS-Therapie unerwünschte gastrointestinale Symptome zu überwachen. Insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit sollte bei der Nutzen-Risiko-Abwägung zusätzlich zu den bekannten Vorteilen von ND-ASS bei der Vorbeugung schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse auch der Nutzen in der Demenzprävention berücksichtigt werden.

 

Publikationen

  • Nguyen, T. N. M., Laetsch DC, Chen LJ, Holleczek B, Meid AD, Brenner H, Schöttker B. Comparison of Five Lists to Identify Potentially Inappropriate Use of Non-Steroidal Anti-inflammatory Drugs in Older Adults. Pain Med. 2021;22(9):1962-1969.
  • Nguyen, T. N. M., Laetsch DC, Chen LJ, Haefeli WE, Meid AD, Brenner H, Schöttker B. Pain severity and analgesics use in the community-dwelling older population: a drug utilization study from Germany. Eur J Clin Pharmacol. 2020;76(12):1695-1707
  • Nguyen, T. N. M., Chen, L. J., Trares, K., Stocker, H., Holleczek, B., Beyreuther, K., Brenner, H., & Schöttker, B. Longitudinal associations of low-dose acetylsalicylic acid use with all-cause and vascular dementia and Alzheimer’s disease in the general population. 2022. [Submitted]; Pre-print: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.09.20.21263830v1
  • Nguyen, T. N. M., Chen, L. J., Holleczek, B., Brenner, H., & Schöttker, B. Low-dose acetylsalicylic acid use is associated with increased risk of gastric and duodenal ulcers: Results from two large cohorts with new-user design. 2022 [Submitted]

 

02/2019-01/2022 Doktorandin am Netzwerk AlternsfoRschung (NAR), Universität Heidelberg
2016-2018 Master-Studiengang “Public Health”, Universität von Tsukuba, Japan
2015-2016 Apothekerin, Universitätsklinik, Ho Chi Minh, Vietnam
2010-2015 Studium der Pharmazie, Universität für Medizin und Pharmazie, Ho Chi Minh, Vietnam

 

 

 

 

 

 

 

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Letzte Änderung: 14.02.2022
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