Interview des Monats
Mila Francesca Bading
Institut für Nachhaltige Chemie,
Leuphana Universität Lüneburg
zum 48. NAR-Seminar
„Altern in einer Digitalen Welt“
mit Aaron Schröter
F I Was genau kann man sich unter einem E-Rezept vorstellen? Was und wie unterscheidet sich das E-Rezept von dem rosa Rezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel?
Das E-Rezept, kurz für „elektronisches Rezept“, bezeichnet den digitalen Austausch von ärztlichen Verordnungen für Medikamente. Seit dem 1. Januar 2024 ist die Nutzung des E-Rezepts für verschreibungspflichtige Arzneimittel verpflichtend. Es handelt sich dabei um eine zentrale Anwendung der Telematik-Infrastruktur (TI), die das bisherige rosa Papierrezept („Muster 16“) schrittweise ersetzt. Während das rosa Rezept bislang in Papierform ausgestellt wurde, erfolgt beim E-Rezept die Übermittlung der Verordnung digital.
F I Welche Bedenken könnten Senioren bei und vor der Nutzung des E-Rezeptes haben?
Senioren könnten vor und bei der Nutzung des E-Rezepts verschiedene Bedenken haben, die sowohl auf technischen als auch auf verständnisbezogenen Aspekten beruhen:
- Misstrauen in die Technik:
Viele Senioren sind möglicherweise skeptisch gegenüber digitalen Systemen und zweifeln an der Zuverlässigkeit und Funktionalität der Telematik-Infrastruktur. Sie könnten befürchten, dass technische Fehler dazu führen, dass ihre Rezepte nicht richtig übermittelt oder eingelöst werden können. - Datenschutzbedenken:
Der Gedanke, dass sensible Gesundheitsdaten digital gespeichert und verarbeitet werden, könnte bei Senioren Unsicherheiten hervorrufen. Sie könnten sich Sorgen machen, dass ihre Daten nicht ausreichend geschützt sind oder in falsche Hände geraten könnten. - Unverständnis der Infrastruktur:
Viele Senioren könnten Schwierigkeiten haben, die Funktionsweise des E-Rezepts zu verstehen. Insbesondere die Tatsache, dass das Rezept nicht direkt auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert ist, sondern diese lediglich als „Schlüssel“ dient, um auf das elektronische Rezept im entsprechenden Fachdienst der Telematik-Infrastruktur zuzugreifen, könnte Verwirrung stiften. - Fehlender physischer Nachweis:
Ein weiteres Bedenken könnte sein, dass Patienten das Rezept nicht direkt auf einem Ausdruck sehen können, wie sie es vom klassischen rosa Rezept gewohnt sind. Dies könnte das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle über die verschriebenen Medikamente beeinträchtigen. - Komplexität der Nutzung:
Senioren, die nicht mit Smartphones oder Apps vertraut sind, könnten sich überfordert fühlen, wenn sie das E-Rezept digital verwalten oder in einer App einlösen sollen. Auch die Möglichkeit, das Rezept Code („Token“) auf einem Ausdruck zu erhalten, könnte für einige zu „technisch“ wirken.
F I Funktioniert das E-Rezept auch bei Versandapotheken und wenn ja, wie genau?
Ja, das E-Rezept funktioniert auch bei Versandapotheken, und der Prozess wird über das sogenannte Cardlink-Verfahren abgewickelt.
- NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK):
Die elektronische Gesundheitskarte muss mit NFC-Technologie ausgestattet sein, um eine sichere Authentifizierung zu ermöglichen. - NFC-fähiges Smartphone:
Ein Smartphone mit NFC-Funktion wird benötigt, um die Gesundheitskarte auszulesen und die Verbindung zur E-Rezept-App herzustellen. - E-Rezept-App:
Eine spezielle App, wie die offizielle E-Rezept-App, dient als Schnittstelle zur Übermittlung der E-Rezept-Daten an die Versandapotheke (z.B. shop apotheke).
F I Ließe sich auch über Dritte das E-Rezept einlösen, insofern die Senioren selbst nicht in der Lage sind?
Ja, das ist möglich, ähnlich wie beim herkömmlichen Rezept nach Muster 16. In diesem Fall benötigt die beauftragte Person lediglich die elektronische Gesundheitskarte (eGK) des Patienten.
F I Wie sicher ist das E-Rezept auch im Sinne des Datenschutzes?
Das E-Rezept erfüllt höchste Standards in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit. Es wird über die speziell entwickelte Telematik-Infrastruktur (TI) abgewickelt, die als „Datenautobahn des Gesundheitswesens“ eine sichere Verbindung zwischen Ärzten, Apotheken und Krankenkassen ermöglicht. Die Verantwortung für den Aufbau, Betrieb und die Weiterentwicklung der TI liegt bei der Gematik. Der Zugriff auf das E-Rezept ist streng geregelt und erfordert eine sichere Authentifizierung sowie entsprechende Zugangsberechtigungen. Dadurch wird gewährleistet, dass nur autorisierte Personen auf die gespeicherten Informationen zugreifen können, was den Schutz sensibler Gesundheitsdaten sicherstellt.
F I Können über die verschreibungspflichtigen Medikamente hinaus auch andere Medikamente als E-Rezept ausgestellt werden?
Derzeit können ausschließlich verschreibungspflichtige Medikamente über das E-Rezept ausgestellt werden. Eine Erweiterung ist jedoch geplant, um künftig auch andere Verordnungen, wie beispielsweise Hilfsmittel oder verschreibungspflichtige Betäubungsmittel (ab dem 1. Juli 2025), in das System einzubeziehen. Für Heilmittel wird dies ab dem 1. Januar 2027 und für Hilfsmittel ab dem 1. Juli 2027 möglich sein.
F I Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung/Nutzung des E-Rezeptes in der Gesellschaft?
Für die weitere Entwicklung und Nutzung des E-Rezepts wünsche ich mir vor allem, dass das Vertrauen in diese Technologie weiter gestärkt wird. Es ist wichtig, der Gesellschaft klarzumachen, dass das E-Rezept in erster Linie zum Vorteil der Patienten eingeführt wurde. Es spart Wege, beispielsweise den Gang in die Arztpraxis, wenn Verordnungen digital bereitgestellt werden können. Durch die zukünftige Verknüpfung mit der elektronischen Patientenakte entsteht eine sinnvolle Symbiose, von der die Patienten direkt profitieren – etwa durch eine bessere Übersicht über ihre Gesundheitsdaten und Behandlungen. orgen über Szenarien wie Stromausfälle sollten nicht im Vordergrund stehen, da solche Situationen ohnehin den gesamten Betrieb – nicht nur die digitale Infrastruktur – beeinträchtigen würden. Entscheidend ist, dass die Vorteile des E-Rezepts in puncto Effizienz, Sicherheit und Patientenkomfort klar herausgestellt und genutzt werden.