Prof. Dr. med Hugo A. Katus
Interview vom 28. September 2007 mit Dr. Birgit Teichmann
Prof. Katus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in den westlichen Industrieländern die häufigste Ursache für Krankheit und Tod. Genetische Faktoren spielen bei der Entstehung dieser Erkrankungen eine wesentliche Rolle. Ihr Team findet immer mehr Gendefekte. Heißt das, dass der Mensch den Defekten hilflos ausgeliefert ist?
In der Tat führen manche Gendefekte unausweichlich zur Erkrankung und die Betroffenen sind mehr oder weniger ausgeliefert. Diese monogenen Erkrankungen mit hoher Penetranz sind aber sehr selten. Häufiger werden Erkrankungen durch ein Zusammenwirken mehrerer Gene oder durch Gene mit geringerer Penetranz verursacht. Diese genetischen Erkrankungen bilden sozusagen den Boden, auf dem ungesunde Lebensweise oder andere Schädigungen zur Erkrankung führen können (genes load the gun, environmend pulls the trigger). Also ich kann z.B. eine Veranlagung für den Herzinfarkt haben, aber er wird nie entstehen, wenn ich gesund lebe. Und insofern sind wir natürlich den Genen nicht wirklich ausgeliefert, sondern wir können durch vernünftige Lebensführung und körperliche Aktivität viele Faktoren beeinflussen, die bei Herz-Kreislauferkrankungen sehr wichtig sind.
Laut Literatur nimmt die Anzahl der Herzinfarkte mit dem Alter drastisch zu. Ist es hier ähnlich wie mit der Alzheimer-Krankheit: Man muß nur alt genug werden, um Herzprobleme zu bekommen?
Ja, das muß ich leider so sagen. Es ist nicht nur der Herzinfarkt sondern noch viel mehr die Herzinsuffizienz, also die Herzmuskelschwäche, die mit dem Alter enorm zunimmt. Die Herzinsuffizienz ist inzwischen die häufigste Ursache für Aufnahmen in internistische Kliniken geworden und es ist kein Ende dieses zunehmenden Trends abzusehen. Warum ein Herz im Alter schwach wird ist noch unklar, aber natürlich ist die Summe von Faktoren, wie Durchblutungsstörungen, hoher Blutdruck und eine vererbliche Veranlagung zur Herzschwäche wichtig.
Die Stammzelltherapie wird immer häufiger in Zusammenhang mit Herzerkrankungen erwähnt. Werden der Herzschrittmacher und das künstliche Herz irgendwann überflüssig werden?
Auch eine interessante Frage. Die Vorstellung ist verlockend, wir stecken unser Herz in einen Jungbrunnen und alles ist wieder gut. So einfach ist es aber nicht und ob die Stammzellen am Ende wirklich für Therapien zu nutzen sind, ist fraglich. Aber natürlich können wir Stammzellen im Labor manipulieren. Wir können dort Gene einsetzen und dann werden diese Stammzellen zu sogenannten Schrittmacherzellen, die uns den Takt im Herzen vorgeben. Wir können diese Zellen dann in Herzen implantieren. So könnten wir uns theoretisch einen künstlichen Herzschrittmacher ersparen. Ja, die Forschungsperspektive ist da, aber der Weg in die Klinik ist noch ziemlich weit.
Welche Ausbildung muß man haben, um sich bei Ihnen um eine Forschungsstelle zu bewerben?
Man muß motiviert und offen sein und natürlich eine gewissen Qualifikation in den Zeugnissen belegen können. Erst danach interessiert uns: Was hat jemand bisher an Ausbildung genossen. Also wir achten sehr stark auf die Persönlichkeit der Bewerber. Wir wollen ehrgeizige, motivierte Leute, die etwas bewegen wollen. In der Auswahl ist natürlich auch wichtig, ob jemand eine molekulare oder eine klinische Forschungserfahrung vorweisen kann, also sich über das Studium hinaus auch für wissenschaftliche Fragen engagiert hat.
Wieviel Anlagen bekommt ein Kind mit? Wird bereits im Mutterleib entschieden, ob das Kind ein starkes oder schwaches Herz bekommt?
Wir glauben ja und wir haben dafür auch viele Befunde die zeigen, dass die genetische Ausstattung für das Entstehen einer Herzschwäche wichtig ist. Auch wie dick ein Herzmuskel wird oder ob es zur Ablagerung an den Gefäßen kommt ist genetisch determiniert. Aber wie eingangs gesagt: Gene sind nicht alles. Es ist die komplexe Interaktion auch mit der Umwelt und anderen Krankheiten, die ihren Teil dazu beitragen ob diese Gene für die klinisch apparente Erkrankung wichtig sind. Es ist unstrittig: Herzinfarkt und Herzschwäche sind familiäre Erkrankungen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Ärzte, wenn sie einen Patienten mit Herzinfarkt sehen, auch nach den Geschwistern und Kindern Fragen stellen und darauf aufmerksam machen, dass in der Familie ein erhöhtes Risiko vorliegt und eine frühzeitige Vorsorge anmahnen.
Welche Präventivmaßnahmen sind Teil Ihres Alltags? Achten Sie bewußt auf Ihre Ernährung und Bewegung?
Ja ich hoffe, dass es ausreicht. Ich bin jemand, der tagtäglich zur Arbeit mit dem Fahrrad fährt, obwohl ich natürlich ein Auto habe und das mache ich, weil ich eben nicht genügend Zeit für Sport habe. Ich bin auch in der Klinik nie jemand, der einen Aufzug nimmt, auch wenn es ins oberste Stockwerk geht. Also ich versuche zumindest in mein tägliches Leben körperliche Aktivität zu integrieren und da ich mediterrane Kost eher schätze, habe ich auch damit kein Problem, auf tierische Fette, zumindest einigermaßen, zu verzichten.
Wie stellen Sie sich Ihr Altern vor?
Das ist eine gute Frage. Das ist eine Frage, die sie mir fast nicht stellen dürfen. Weil, wenn man so im Tagesgeschäft eingebunden ist, über das Altern nicht nachdenkt. Irgendwie ist alles was man tut darauf gerichtet ist, dass es in Zukunft besser wird, aber man wird dabei ja auch älter. Also ich muß zugeben, dass ich nicht so detailliert über das Altern nachgedacht habe. Diese Verdrängung teile ich wahrscheinlich mit den meisten, die so aktiv im täglichen Arbeitsprozess eingebunden sind.
Im Netzwerk Alternsforschung haben sich Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen, um das Altern in möglichst allen Aspekten zu ergründen. Was versprechen Sie sich im Bezug auf Ihre Arbeit vom NAR?
Also ich finde diese Netzwerkbildung ganz hervorragend, weil die Alterungsprozesse im Herzen in vielen Aspekten nicht anders sind als die Alterungsprozesse im Gehirn oder anderen Organen und es ist ganz wichtig, dass Wissenschaftler mit bestimmten Sichtweisen sich austauschen, um gemeinsame Konzepte zu erfassen, die für verschiedene Organe wichtig sind. Ich hoffe, dass wir wissenschaftlich voneinander profitieren und ich bin auch überzeugt davon. Darüber hinaus hoffe ich aber auch, dass auch ein Verbund entsteht, in dem wir die klinischen Probleme in die Grundlagenwissenschaft tragen können und der Grundlagenforscher an einer klinischen Fragestellung Interesse entwickelt und motiviert ist, auch seine experimentellen Arbeiten auch auf ein Krankheitsbild aus zu richten. Ich freue mich auf dieses Netzwerk und hoffe, dass wir auch sehr viele Erfolge feiern können. Eben vor allem durch Brückenbildung zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen.
Zur Person
Hugo Katus wurde 1951 in Steinfeld (Rheinland/Pfalz) geboren. Er studierte Medizin in Heidelberg. Seine wissenschaftliche Ausbildung absolvierte er in Heidelberg und an der Harvard Medical School. Aus diesen Arbeiten ist die Entwicklung des Troponin assays entstanden, der heute Goldstandard in der klinisch chemischen Herzinfarktdiagnostik ist.
Hugo Katus ist Sprecher für Herkreislauferkrankungen im Nationalen Genomforschungsnetz, Präsident der Akademie der deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Herausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift der deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Herr Katus wurde von seinem Ordinariat in Lübeck nach Heidelberg berufen, wo er heute Ärztlicher Direktor der Abteilung Kardiologie, Angiologie und Pneumologie sowie Geschäftsführender Direktor der Medizinischen Klinik ist.