Dr. Thomas G. Hofmann
Leiter der Nachwuchsgruppe "Zelluläre Seneszenz" am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg
Interview vom 19. März 2009 mit Dr. Birgit Teichmann
Sie sind der Leiter der Nachwuchsgruppe „Zelluläre Seneszenz“. Was ist darunter zu verstehen?
Unter zellulärer Seneszenz versteht man ein genetisch festgelegtes Alternsprogramm, das die Lebensspanne von Zellen limitiert. In der Regel ist es so, dass sich normale Körperzellen 40-50 mal teilen können, danach ist ihr Teilungspotential erschöpft und die Zellen fallen in eine Art Altersruhestand, den man zelluläre Seneszenz, sprich Zellalterung, nennt.
Wodurch kann das Seneszenzprogramm ausgelöst werden?
Man kennt eine ganze Reihe von Auslösern. Mittlerweile herrscht die Meinung vor, dass Stresssignale die Hauptauslöser sind. Wenn man beispielsweise an Hautalterung denkt: das UV-Licht der Sonne fördert die Hautalterung indem es u.a. die DNA schädigt. Diese DNA-Schäden akkumulieren in den Zellen, was letztendlich zum Aufrufen des Seneszenzprogrammes führt. Die Zellen werden dadurch im Zellzyklus eingefroren. Dies führt dazu, dass kaum noch Regeneration oder Teilung der Zellen stattfinden kann und die Haut altert.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Seneszenz und Krebs?
Krebszellen sind in der Lage das Seneszenzprogramm zu umgehen. Das Seneszensprogramm ist normalerweise ein Schutzmechanismus durch den geschädigte Zellen daran gehindert werden ihre Erbinformation weiterzugeben, indem die Zellteilung inhibiert wird. Krebszellen können dieses Programm soweit ausser Kraft setzen, dass sie potentiell unsterblich werden, und sich kontinuierlich weiterteilen und dadurch genetische Defekte an die Tochterzellen weitergeben.
Warum altert der Mensch? Altern alle Zellen gleich schnell?
Organismisches Altern ist natürlich sehr viel komplexer als das Altern auf zellulärer Ebene, wie wir es in unserer Arbeitsgruppe betrachten. Hier spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Man weiß, dass auch Zellen in einem Gesamtorganismus molekulare Marker für zelluläre Seneszenz zeigen. Diese Tatsache verdeutlicht, dass sich seneszente Zellen im gealterten Organismus anhäufen. Die Ursache hierfür liegt sehr wahrscheinlich darin, dass das Regenerationspotential, welches wir benötigen um unseren Körper jung und fit zu halten indem alte Zellen durch neue ersetzt werden, irgendwann erschöpft ist. Das hat verschiedene Gründe: Das Stammzellreservoire altert, Stammzellen sterben durch Apoptose ab und damit versiegt nach und nach der Nachschub an neuen Zellen. Zellen im Gewebe werden nicht mehr ausreichend ersetzt, was zu Funktionsstörungen und damit einhergehenden Alterungsphännomenen führt.
Als Modellorganismen für die Zellalterung werden meist C. elegans oder die Maus verwendet. Warum nimmt man nicht z.B. die Schildkröte, die nun wirklich alt wird?
Es wäre sicherlich auch mal ganz witzig, Schildkröten im Labor zuhalten. Als Modelorganismen der Alternsforschung haben sich jedoch andere Organismen, wie der Fadenwurm C. elegans, durchgesetzt. Grund dafür ist seine kurze Generationszeit sowie die Tatsache, dass man im Labor relativ einfach genetische Veränderungen an diesen Organismus erwirken kann, die beispielsweise in einer erhöhten Lebensspanne resultieren.
Die Maus als Modelsystem ist dagegen schon weit komplexer. Sie besitzt jedoch den großen Vorteil, dass es sich bei ihr um ein Säugetier handelt und daher die Ergebnisse auch auf höhere Organismen – wie den Menschen - besser übertragbar sind. Es handelt sich hier also um ein Modellsystem, das dem Menschen deutlich näher steht als der Fadenwurm. Der Nachteil des Maus ist aber, dass sie eine sehr viel längere Genrationszeit besitzt als der Fadenwurm, was Forschungsarbeiten mit diesem Modelorganismus sehr zeitintensiv gestaltet. Weiterhin hat sich C. elegans auch aus dem Grund angeboten, da sich mittels bestimmmter Screeningmethoden relativ schnell sein komplettes Genom nach Genen für Langlebigkeit durchforsten lässt.
Welchen Nutzen hat der Bürger von ihren Forschungsergebnissen?
Unser Ziel ist es zu verstehen, wie Krebszellen es schaffen das zelluläre Seneszenzprogramm zu umgehen und unsterblich werden. Wir identifizieren neue molekulare Spieler, welche zum Aufrufen des Seneszenzprogramme und des programmierten Zelltodprogramms wichtig sind und untersuchen in wie fern ihre Funktion in Tumorzellen verändert ist. Indem wir die Funktion dieser Moleküle in Tumorzellen wieder herstellen, könnten wir diese möglicherweise in der Zukunft spezifisch in die Zellalterung bzw. den programmierten Zelltod zwingen und so das Tumorwachstum stoppen.
Welche Vorteile erwarten Sie durch die Einbindung ins Netzwerk AlternsfoRschung, in dem Wissenschaftler vieler Forschungsbereiche zusammen arbeiten?
Augrund der Tatsache, dass Zellalterung und organismisches Altern ein sehr komplexer Vorgang ist, ist es sehr sinnvoll solche Fragestellungen im Rahmen eines Netzwerks zu untersuchen. So kann man viele wichtige Aspekte erfassen, um das Altern möglichst in seiner Gesamtheit zu verstehen. Dies wäre als Einzelkämpfer unmöglich. Durch diesen wissenschaftlichen Schulterschluß können viele unterschiedliche Facetten des Alterns betrachtet werden. Das Netzwerk hat auch Auswirkungen auf unsere Projekte, da wir in diesem Rahmen auch interessante Querverbindungen untersuchen können, die sonst möglicherweise unentdeckt blieben.
Zur Person
Thomas Hofmann wurde 1971 geboren. Er studierte in Heidelberg Biologie und promovierte von 1997-2000 am Deutschen Krebsforschungszentrum bei Prof. Wulf Dröge. Anschließend arbeitete er als Postdoc im Heinrich-Pette-Institut für experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg bis er 2004 als Gruppenleiter ans Deutsche Zentrum für Alternsforschung (DZFA), Heidelberg, kam. Seit 2006 ist Hofmann Leiter der Nachwuchsgruppe "Zelluläre Seneszenz" am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg.
2002 bekam Hofmann zusammen mit Dr. Hüseyin Sirma den Preis der Werner-Otto Stiftung für ihre Arbeit zur Regulierung der Zellvermehrung und des kontrollierten Zelltods, 2004 den Georg-Ernst-Konjetzny-Preis zusammen mit Dr. Kristijana Milovic für ihre Beschreibung eines neuen Signalweges beim programmierten Zelltod.
Thomas Hofmann ist verheiratet und hat zwei Kinder.