Prof. Dr. Barbara Klein

Zur Person

Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, Fachhochschule Frankfurt am Main - University of Applied Sciences

              

Barbara Klein
 
Interview am 30. Dezember 2012 von Laura I. Schmidt

 

Frau Professor Dr. Klein, im Rahmen des NAR-Seminars (31.01.2013) sprechen Sie über die Chancen und die Risiken von emotionaler und sozialer Robotik in der Altenhilfe. Was versteht man unter diesen Schlagworten?

Emotionale Robotik umfasst Roboter wie die therapeutische Robbe PARO oder den Spielzeugdinosaurier PLEO, die in der Lage sind, zu erkennen wie man sie behandelt und die entsprechend darauf reagieren und auch agieren können. So kann es zu einer emotionalen Beziehung zu den Robotern kommen. Die therapeutische Robbe PARO kann Menschen mit kognitiven Einschränkungen dazu verhelfen, sich zu entspannen und/oder wieder in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen. Zur sozialen Robotik zählt beispielsweise auch der Telepräsenzroboter GIRAFF. Ähnlich wie bei Skype kann mit Bildübertragung telefoniert werden. Zusätzlich kann sich der Roboter ferngesteuert in der Wohnung bewegen und so z. B. nach dem Rechten schauen oder es z.B. einem kranken Kind ermöglichen, am Schulunterricht teilzunehmen und sich mittels des Telepräsenzroboters in der Schulklasse und auf den Fluren zu bewegen.

 

Ein großes Anliegen von Angehörigen und Pflegenden ist es, das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu erhöhen. Wie können die neuen Technologien dabei helfen?

Die therapeutische Robbe kann gezielt für Aktivitäten in der Gruppe eingesetzt werden, um hier z. B. unter Anleitung der Sozialarbeiterin oder Ergotherapeutin soziale Interaktion z. B. in Form von Gesprächen in Gang zu bringen, Berührungen mit der Robbe zu ermöglichen und damit die Sinne zu stimulieren. Bei Verhaltensauffälligkeiten kann die therapeutische Robbe z. B. zur Aktivierung aber auch zur Beruhigung eingesetzt werden – dieses kann z. B. in Form von individueller Betreuung durch die Fachkraft erfolgen.

 

In Deutschland sind Sie eine Pionierin in diesem Gebiet, wie kamen Sie zu diesem Forschungsfeld?

Im Sommer 2008 habe ich zusammen mit Prof. Dr. Glenda Cook von der Northumbria University in Newcastle in England Expertengespräche zum Einsatz neuer Technologien in Australien und Japan durchgeführt. In Japan lag der Schwerpunkt auf Robotik und hier lernten wir die therapeutische Robbe PARO und ihren Erfinder Dr. Takanori Shibata kennen. Wir waren in der kleinen Fabrik, in der PARO hergestellt wird und wir waren beide sehr beeindruckt wie wir PARO im Einsatz in zwei Pflegeeinrichtungen erlebt haben. Glücklicherweise hat die FH Frankfurt am Main meine Forschungsarbeiten sehr unterstützt. Der Fachbereich hat noch im gleichen Jahr eine solche Robbe angeschafft.  

 

Sie bauen außerdem ein internationales Netzwerk zu emotionaler und sozialer Robotik (eRobotics) auf. Welche interkulturellen Unterschiede werden dabei deutlich?

Die Offenheit diese Technologien einzusetzen unterscheidet sich in den verschiedenen Ländern und Kontinenten – z. B. In Dänemark einem Land mit ca. 5,5 Millionen Einwohnern werden 250 Robben in der Altenhilfe eingesetzt, hier in Deutschland mit 81,8 Millionen Einwohnern sind ca. 50 Robben im Einsatz. In den USA und Japan wurden Pilotprojekte zu PARO schon Ende des letzten bzw. Anfang diesen Jahrtausends durchgeführt. Besonders Japan zeichnet sich auch durch ungewöhnliche Anwendungsfelder aus: PARO wird dort auch als Haustierersatz in den engen Wohnungen eingesetzt und er hat Tsunami-Opfer getröstet. Kulturell ist dieses durch eine hohe Technikaffinität der Japaner begründet.

 

Der Einsatz emotionaler Robotik wird heute in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für den therapeutischen Einsatz von Produkten wie der Robbe Paro oder des Dinosauriers Pleo und welche Risiken sehen Sie?

PARO und auch PLEO können neue therapeutische Instrumente sein. In den Lehrforschungsprojekten an der FH Frankfurt am Main wurde deutlich, dass sie ein Potenzial haben, um – auch nach einer längeren Zeit des Schweigens - miteinander ins Gespräch zu kommen, Menschen, denen es gesundheitlich sehr schlecht geht, ein Lächeln auf die Lippen zaubern zu können. In der Frühförderung und auch bei einer schwerst behinderten jungen Frau hatte PARO eine sehr entspannende Wirkung und konnte helfen, Verkrampfungen zu lindern. Hier besteht auf alle Fälle ein großer Forschungsbedarf, um systematisch die Wirkungen auf die unterschiedlichen Krankheitsbilder zu untersuchen.

Häufig geäußerte Befürchtungen, dass solche Technologien Pflegekräfte überflüssig machen könnten, müssen sehr ernst genommen werden und Aufklärungsarbeit ist notwendig. Emotionale Robotik kann ihr Potenzial nur in Verbindung mit gut qualifizierten Fachkräften entwickeln, die in ihr eine Hilfe und ein weiteres Arbeitsmittel sehen und sie nicht als Konkurrenz betrachten.

Ein weiteres Risiko ist, dass wir den Anschluss an die internationalen Entwicklungen verpassen könnten – gerade weil es kulturelle Unterschiede gibt, stellt sich die Frage, welche der neuen Technologien können und sollten hier bei uns eingesetzt werden, wo können wir gesicherte Aussagen zu den Wirkungen machen, was bedeutet das für die erforderlichen Qualifikationen der Fachkräfte. Hierzu möchte ich mit meinen Arbeiten einen Beitrag leisten.

Sprung nach oben

Zur Person

Barbara Klein forscht zu neuen Technologien im Gesundheitswesen und hat an der Fachhochschule Frankfurt eine innovative permanente Ausstellung Barrierefreies Wohnen und Leben entwickelt (www.fh-frankfurt.de/barrierefrei_wohnen) und baut dazu eine Crossmedia-Plattform auf (http://www.youtube.com/user/barrierefreieswohnen).

Klein studierte an den Universitäten in Mainz, Frankfurt und London und erwarb 1984 ihren Abschluss als Diplomsoziologin an der Goethe-Universität in Frankfurt. Dort promovierte sie 1994 zum Dr. phil. Mehr als 20 Jahre arbeitete Klein bei der Fraunhofer-Gesellschaft, der größten Forschungsgesellschaft im Bereich der angewandten Forschung in Europa. Von 1994 bis 1995 forschte und lehrte sie im Rahmen eines Marie-Curie Stipendiums an der University of Stirling in Großbritannien zu Fragestellungen der Qualitätssicherung in der Altenhilfe. Nach ihrer Rückkehr zur Fraunhofer-Gesellschaft baute sie das Marktstrategie Team Public Health am Fraunhofer IAO in Stuttgart auf. Seit 2007 ist sie Professorin für Organisation und Management in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Frankfurt und forscht zu Einsatzmöglichkeiten und Anwendungsfeldern neuer Technologien wie sozialer Robotik und assistiven Technologien im Gesundheitswesen.
Barbara Klein ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Sokoll: Administrator
Letzte Änderung: 04.02.2013
zum Seitenanfang/up